Estland, Tag 2: Leinen los!
Kurz vor halb vier treffe ich am estnischen Marinestützpunkt Miinisadam in Tallinn ein. Am Hochsicherheitseingang erwartet mich schon ein weißer SUV mit Wiener Kennzeichen: zwei Filmschaffende aus Österreich sind an diesem Wochenende auch mit von der Partie. Kurz danach trifft auch Pressesprecherin Kerstin Käärik von der Kaitseliit ein und begleitet uns zum Eingang. Wir warten. Es gab ein Missverständnis. Treffpunkt ist ein anderer Hafen zwei Kilometer entfernt. Kerstin bestellt ein Uber und keine fünf Minuten später sind wir endlich am vereinbarten Treffpunkt. Ein Mann mit Kappe und grüner Softshell-Jacke wartet bereits auf uns und kontrolliert unsere Pässe: Ander Asberg. In einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch erzählt er mir, dass er bereits seit rund dreißig Jahren beim estnischen Militär arbeitet. In seiner Freizeit widmet er sich den “Jungen Adlern” als Mentor. Er will dabei Gutes tun und seine Erfahrungen mit den “jungen Leuten”, wie er sie auf Deutsch nennt, teilen.
Ich setze mich auf den Vordersitz von Asbergs Auto, hole meine Kamera aus meinem Rucksack und mache sofort ein Probebild. Rechts befinden sich die Militärschiffe, die bitte nicht fotografieren, kommt es sofort von der Fahrerseite. Sonst kriegt er Ärger.
Am Boot angekommen wartet schon die heutige Besatzung: Artur, Krister, Oliver und Henri - allesamt “junge Adler” und Teil des Marinezugs von Tallinn. “Alles machen die jungen Leute selbst”, erklärt uns Asberg. Bis auf den Motor, den halten andere Instand.
Grob dauert die Grundausbildung ein halbes Jahr. Rund 60 Stunden in Seefahr-, Waffen- und Formaldienstkenntnisee und einen erste Hilfe Kurs müssen sie absolvieren, bevor ein junger Adler in See stechen darf.
Heute geht es mit reduzierter Besatzung aufs Wasser. Die österreichischen Gäste - ich und die beiden Filmschaffenden Johannes und Mira - erfordern eine Reduktion der Crew.
Henri trägt auch meinen Namen ins Logbuch ein.
Artur hisst die Fahne der Kaitseliit. Henri tragt unsere Gästenamen ins Logbuch ein. Die Fender werden eingeholt. Henri, Wachleiter und der Junge mit der Fahrerlaubnis, steuert uns sicher aus dem Hafen in die relativ ruhige, estnische See. Asberg steht im Hintergrund und beobachtet. Ab und zu redet er mit den Jungs und gibt Anweisungen.
Oliver und Ander Asberg auf See.
Wir tuckern über das Meer. In der Kajüte ist es dicht gedrängt. Die Filmkamera läuft und die Tonangel lugt in den engen Raum hinein. Mittendrin befinde ich mich und versuche meine Bilder zu komponieren. Die Jungs sind aufgeregt, wissen aber vor der Kamera zu posieren. Henri fragt mich: “How´s Austria?” “Like Estonia but without an ocean”, antworte ich. Eine ehrliche Antwort hätte in dem Moment den Rahmen gesprengt. Nach ein paar Seemeilen erreichen wir unser erstes Ziel in der Bucht von Tallinn. Die Tankstelle. Die Jungs legen gekonnt an, plagen sich ein wenig beim Öffnen des Tanks, Nach ein paar Minuten legen wir schon wieder ab. Zurück auf dem Meer schlagen uns höhere Wellen entgegen. “Nur ein halber Meter”, meint Asberg. Vier Meter hält das Boot aus, also kein Problem. Ich blicke zu lange durch den Sucher der Kamera und schon hat es mich erwischt. Ich versuche weiter zu fotografieren, aber kämpfe mit meiner Übelkeit. Seekrank.
Übungsmanöver: Krister wirft den Rettungsring ins Meer.
Nach einem kurz gebropten Manöver, das den Jungs die Hydraulik des Schiff näher bringen soll, und mehrere Versuche in Anspruch nimmt, begeben wir uns wieder Richtung Heimathafen. Morgen früh geht es weiter Richtung Nōva, zu einem Camp der “Jungen Adler”. Bis dahin muss ich mich von meiner Reisekrankheit auskurieren.
Die Crew: Artur, Mentor Ander Asberg, Henri, Krister und Oliver.