Tag 1 & 2 - Mysteriöses Malta
Vor ein paar Wochen habe ich mit den Vorbereitungen für diese Reise begonnen. Da wurde schnell klar: in Malta über die Glückspielbranche zu recherchieren wird keine dankbare Aufgabe. Das hat nur am Rande mit den fast 40 Grad Außentemperatur zutun, die nicht nur körperlich, sondern auch mental träge machen. Viel eher ist das Problem, dass die Menschen hier nicht so gern über das Thema sprechen. Ich will nicht zu sehr vorgreifen, aber so viel sei schonmal gesagt: hier Interviewpartner:innen und gute Auskünfte zu bekommen, ist nicht dasselbe wie in Österreich.
In einem Cafe, etwas außerhalb von Valletta, habe ich gestern direkt nach meiner Ankunft jemanden getroffen, der die maltesische iGaming-Branche sehr gut kennt. Die Bedingungen für das Gespräch: kein Foto, keine Aufnahmen, keine Informationen zur Person veröffentlichen - kein Problem. Solche Hintergrundgespräche helfen trotzdem sehr dabei, das Thema besser zu verstehen. Einiges von dem, was man mir erzählt, war mir im Prinzip schon klar. Beispielsweise, dass die Politik in Malta die Glücksspielbranche schützt und niemand Interesse daran hat, der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft abzulegen. Das ganze Land ist wirtschaftlich so abhängig vom Zocken, dass der Mantel des Schweigens über die Schattenseiten ausgebreitet wird. Soweit so erwartbar aber Anderes klingt abenteuerlicher. Es geht um Korruption, um Geldwäsche, organisierte Kriminalität und um Vieles mehr, was teilweise fast nach Action-Thriller klingt. Wir sprechen fast sieben Stunden lang. Auch wenn viel von dem, was ich da höre, surreal klingt, habe ich wenig Grund daran zu zweifeln. Die Person weiß wovon sie spricht. Das ist anhand ihres Werdegangs nachvollziehbar. Obendrein hat sie kein Motiv, mir Unwahrheiten aufzutischen. Die paradiesische Insel dürfte mysteriöser sein, als es den Anschein hat.
Den heutigen Vormittag verbringe ich im klimatisierten Café vor dem Lapotp und versuche, das, was ich gestern erfahren habe, zu überprüfen und weitere Gesprächstermine zu bekommen. Einerseits ist es schade, bei so gutem Wetter drinnen zu sitzen, andererseits machen 33 Grad im Schatten bei Windstille alles andere unmöglich. Auf dem Weg zum Interview am Nachmittag fühle ich mich wie ein Kind, das "Der Boden ist Lava" spielt, wenn ich von Schatten zu Schatten springe. Ich treffe mich mit Julian Bonnici, dem Chefredakteur von Amphora Media, einer Investigativ-Plattform, die sich viel mit dem Glückspielsektor in Malta beschäftigt. Unser Treffpunkt ist ein Park. Wir gehen gemeinsam zu einem unscheinbaren Wohnhaus. An der Tür findet man weder einen Logo noch ein Klingelschild mit Namen. Amphora will eindeutig nicht gefunden werden.
Interview mit Julian Bonnici von Amphora Media
Mir gegenüber ist Julian aber dankenswerterweise sehr auskunftsfreudig. Auch er berichtet viel von den Verstrickungen zwischen Politik und Gambling und von Korruption. Vor allem fehlt es in Malta an Problembewusstsein und an Diskurs über Glückspiel. Man beißt nicht gerne in die Hand, die einen füttert. Die Menschen hier leben in permanenter kognitiver Dissonanz, meint Julian. Bei mir festigt sich ein Bild. Wir sprechen auch über den Journalismus in Malta, was ihn so schwierig macht und wie das zum Problem beiträgt. Für die Details müsst ihr auf meine Reportage warten.
Zurück im Café, wo ich jetzt diesen Beitrag schreibe, bin ich recht froh, in Österreich zu leben und zu arbeiten. Trotzdem muss man sagen: Malta hat auch seine Vorzüge. Zum Beispiel die Vielzahl an wirklich wunderschönen Stränden. An einem davon werde ich jetzt den Abend ausklingen lassen und mich morgen wieder melden.