Nordmazedonien, Tag 2: Aus- oder zurückgewandert?
Das Stichwort “Brain drain” ist nicht nur der nordmazedonischen Jugend wohlbekannt. Die Suche nach Ausbildung und Arbeit in EU-Ländern teilen vermutlich viele junge Menschen am Balkan. An meinem zweiten Tag in Nordmazedonien habe ich mich aber auch mit Menschen unterhalten, die zurückgekehrt sind. Und dabei teils sehr unterschiedliche Gespräche geführt. Aber der Reihe nach.
Circa 27.000 Menschen mit Wurzeln in Nordmazedonien leben in Österreich. Die große Diaspora macht Österreich deshalb bis heute zu einem zentralen Ziel von ausreisewilligen Nordmazedoniern. Es gibt aber eben auch jene, die früher oder später in ihr Heimatland zurückkommen. Verlässliche und aktuelle Zahlen, wie viele dauerhafte “Rückkehrer” es sind, gibt es nicht. Mit einem von ihnen habe ich mich aber in Skopje getroffen. Ivan Mirkovski ist Architekt. Für ihn hat sich Anfang der 2000er Jahre die Möglichkeit ergeben, an der TU Wien Architektur zu studieren. Nach neun Jahren in Österreich, in denen er unter anderem als Studienassistent gearbeitet, seinen Masterabschluss gemacht und Deutsch gelernt hat, entschloss er sich, nach Nordmazedonien zurückzukehren - oder, wie er es nennt: “Ich bin zurückgewandert.” Ein Jobangebot als Professor an einer neuen Fakultät für Architektur in Nordmazedonien und seine Frau, ebenfalls Nordmazedonierin, waren Gründe für die Rückkehr. Er spricht mit Leichtigkeit über den Prozess der Auswanderung und Rückkehr. Auch, wenn er sich selbst als “easy-going” und als Optimist beschreibt: Die Hürden, sowohl in Österreich als auch in Nordmazedonien, waren beachtlich. Vor allem die bürokratischen. Er erzählt von ständig neuen Visa-Anträgen und Unsicherheiten, wie es weitergeht, wenn er seinen Status als Student verlieren würde. Und von seiner Frustration, als es um den Antrag einer Rot-Weiß-Rot-Karte ging.
Ivan Mirkovski ist erfolgreicher Architekt - und hat nach neun Jahren in Österreich in Skopje 40 Arbeitsplätze geschaffen.
Zurück in Nordmazedonien baute Mirkovski gemeinsam mit seiner Frau, die Lichtdesignerin ist, ein Architekturstudio auf: “Superblock”. Unter dem Namen “Smart Living” sind sie außerdem Partner eines großen Möbelhändlers. Mittlerweile beschäftigt ihr Unternehmen rund 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Zugegeben, mir erschien es auf den ersten Blick riskant, ein Architektur- und Möbel-Büro ausgerechnet in Nordmazedonien zu eröffnen. Ein Blick aus meinem Hotelzimmer in Skopje eröffnete mir eher (für österreichische Standards) architektonische Bruchbuden-Atmosphäre. Und ein Spaziergang durch die Stadt zeigte eine Vielfalt an Gebäuden: Von neu-und-glänzend, über angefangen-und-nicht-fertiggestellt, bis verwahrlost-brutalistisch.
Ausblick aus meinem Hotelzimmer in Skopje.
Mirkovski hat die Beobachtung gemacht, dass viele Nordmazedonier wie er in den letzten Jahren wieder zurückgekehrt sind. Er nennt dafür zwei mögliche Gründe - die verrate ich bald in meinem Artikel auf kurier.at
Ob Ivan Mirkovskis Geschichte exemplarisch für eine “Generation der Rückkehrer” steht, frage ich mich am Weg zu meinem zweiten Termin an diesem Tag. Ich treffe Stefan, einen 21-jährigen Medizinstudenten, am Abend im Rahmen eines Buchclubs. Er hat aktuell keinerlei Ambitionen, in Nordmazedonien zu bleiben. Wohin er auswandern will? “Polen - oder Österreich.” Anastasija, 23 Jahre alt, ist wiederum vor kurzem nach ihrem Bachelor-Studium in Budapest nach Skopje zurückgekehrt. Aber auch sie spricht davon, “wahrscheinlich” bald wieder ins Ausland zu ziehen. Die meisten ihrer Schulfreunde seien inzwischen auch nicht mehr im Land. Die Option, wieder zurückzukehren, ist für sie trotzdem da, denn: “So wie Nordmazedonien hat jedes Land seine Probleme.”