Tag 2: Gentrifizierung, Geoökonomie und Grachtenlicht

Der zweite Tag startete ziemlich grau. Nach dem Frühstück ging es trotzdem direkt zur Universität Amsterdam, wo ich Milan Babic getroffen habe. Er beschäftigt sich mit Geoökonomie – also damit, wie globale Finanzströme und staatliche Entscheidungen Märkte beeinflussen, unter anderem auch den Wohnungsmarkt. Klingt theoretisch, aber schnell wurde klar: Diese globalen Prozesse spürt man direkt im Alltag. Wer in einer Stadt wie Amsterdam eine Wohnung sucht, merkt sofort, wie sehr internationale Investoren und städtische Entwicklungen Gentrifizierung befördern und die Preise in die Höhe treiben.

Nach einem schnellen Mittagessen ging es weiter nach Den Haag, zum Gespräch mit Aedes, dem Dachverband der niederländischen Wohnungsbaugesellschaften. Hier ging es um die Praxis: Wie können soziale Wohnungsbaugesellschaften jungen Menschen noch Perspektiven bieten, trotz extremer Wohnungsknappheit? Besonders beeindruckend war ein Kalender, auf dem 365 Menschen in einem Satz ihre prekäre Wohnsituation schildern – ein starkes Zeichen dafür, wie unterschiedlich Betroffenheit ist und dass der Wettbewerb um bezahlbaren Wohnraum wirklich jede:n betrifft.

Eine Seite des Kalenders. Diana (42) sagt: “Nach der Trennung war ich gezwungen, mit meinem Sohn wieder bei meinen Eltern zu leben.”

Danach ging es zurück in die niederländische Hauptstadt. Das Reisen wird einem hier wirklich einfach gemacht. Denn die Öffis sind so praktisch und modern: Bankomatkarte an den Scanner halten beim Ein- und Aussteigen, zack – wird automatisch abgerechnet. Nur eines fällt auf: Zu den Stoßzeiten wird’s richtig eng (und sogar teurer).

Am Abend blieb noch Zeit für einen Spaziergang durch die Amsterdamer Innenstadt – Grachten, Touris und Radfahrer inklusive. Hier ist echt viel geregelt: Sogar Pinkeln in der Öffentlichkeit oder Joints rauchen sind verboten – Sarkasmus off 😉. Das Beste: Am Abend klarte der Himmel auf, und das Licht fiel fast schon kitschig-golden auf die Grachten. Außerdem fällt auf: Radfahren hat absolute Priorität. Selbst auf Zebrastreifen bleiben Fußgänger manchmal stehen, um Radfahrer vorbeizulassen – das sagt eigentlich alles über die Hierarchie im Amsterdamer Straßenverkehr. Da bekommt man richtig Lust, selbst aufs Fahrrad zu springen – hoffentlich schafft es diese Fahrrad-Kultur auch irgendwann nach Wien.


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Tag 3 in Montenegro: Gespaltenes Land, zerrissene Jugend

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Jung, feministisch, irisch