Tag 2: Zurück zum Handwerk

Mein zweiter Tag der Reise ist gut gefüllt. Dabei zeigt sich, der geführte Stadtrundgang, der sich ob seines touristischen Anmutens zwischendurch fast wie Arbeitszeitbetrug anfühlt, bringt meine journalistische Recherche ein wichtiges Stück weiter.

Den zweiten Tag meiner Reise beginne ich mit einer Free Walking-Tour. Der Flaniererei des Vorabends sollen nun auch die Fakten folgen. Ich habe Glück. Wir sind nur zu dritt. Ein Paar aus Brasilien und ich begleiten den jungen Portugiesen André auf seiner Tour. Ich bin überpünktlich und die erste Teilnehmerin am Treffpunkt - ein Fakt, den manch liebe Person zuhause wohl als Wunder bezeichnen würde. Ich erkundige mich bei André nach weiteren Anhaltspunkten für meine Geschichte. Siehe da: Er kann helfen.

Doch zunächst führt er uns durch die Altstadt Lissabons. Ich erfahre mehr zu den phönizischen Anfängen, dem Einfluss der alten Römer und Mauren und Portugals Aufstieg zur See- und Handelsmacht. Ich erhalte ein Gefühl über die dramatischen Ausmaße des verheerenden Erdbebens gefolgt  von einem Tsunami 1755 und den Folgen auf das heutige Stadtbild. Mit Einblicken zur Nelkenrevolution und dem damit einhergehenden Ende der bis dahin herrschenden Diktatur im April 1974, endet auch unsere Tour.

Nicht mal eine Sunde später schickt mir André bereits einen Kontakt zu einer weiteren Klimaaktivisin und ihrer ebenfalls aktiven Schwester. Er hat mich bereits angekündigt, sie freuen sich auf ein Gespräch. Nur Minuten später ist das für Donnerstag fixiert. Sehr erfreulich. Vom heimischen Schreibtisch aus hat sich die Kontaktaufnahme als deutlich langwieriger herausgestellt und manch Anfrage ist bis heute unbeantwortet. Es zeigt sich wieder der Wert des journalistischen Handwerks von der Straße aus.

Anschließend treffe ich meine erste Interviewpartnerin Lissabons. Eine Klimaaktivistin, die mit ihrer Organisation Climaximo eine deutlich andere Strategie verfolgt, als die Organisation Último Recurso, die ich am Mittwoch treffe. Für Climaximo gleicht fehlender Klimaschutz bzw. klimaschädliches Verhalten von Regierungen und Unternehmen einem Krieg gegen die Bevölkerung und den Planeten. Gilt das ihrer Meinung nach auch für Portugal?

Portugals Klimaschutzbemühungen werden im internationalen Vergleich teils als noch vorbildlicher betrachtet als die manch anderer Staaten. Im heurigen "Climate Change Performance Index" rankt Portugal auf Platz 15 und gilt damit noch als „high performer“ Auch wenn sie sich im Vergleich zum letzten Jahr um zwei Plätze verschlechtert haben. Das Ranking wird jährlich von Expert*innen der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, dem Climate Action Network und des Thinktanks NewClimate Institute in Zusammenarbeit mit nationalen Expert*innen erstellt und bewertet die Klimaschutzleistungen von 63 Ländern und der Europäischen Union als Staatenverbund. Damit decken sie laut eigenen Angaben die Verursacher von mehr als 90 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ab. 

Auf dem vierten und damit ersten vergebenen Platz liegt erneut Dänemark. Da die Organisationen die politischen Maßnahmen von keinem der bewerteten Länder bzw. der EU als ausreichend bewerten, bleiben die ersten drei Plätze erneut leer.

Für meine Interviewpartnerin macht die bessere Bewertung Portugals keinen Unterschied. Sie stellt einen Vergleich zur Kolonialzeit und der Sklaverei auf. Für sie seien solche Vergleiche ähnlich, als sage man, ein Sklavenhändler behandle seine Sklaven immerhin gut. Auch wenn Portugal vielleicht einen solchen Ruf hat, sei das ihrer Ansicht nach nicht der Punkt, der für ihre Klimaaktivismus-Gruppe zur Diskussion steht.

Mehr zu ihrer Perspektive in meiner im Herbst erscheinenden DATUM-Reportage.

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