Zypern, Tag 2: Buntes Programm und interessante Gespräche

Die Hauptreisesaison auf Zypern ist schon vorbei – ich bin fast alleine am Weg entlang der venezianischen Mauern, um mir einen besseren Überblick über die Stadt zu verschaffen. Das Famagusta-Tor lässt mich das erste Mal innehalten: es ist das größte der drei Stadttore der Mauern, das mittlerweile als Museum und Kulturstätte genutzt wird. Neben dem Famagusta Tor gibt es noch das Kyrenia und das Paphos Tor – alle drei sind übrigens nach den Städten benannt, in dessen Himmelsrichtung sie zeigen.

Früher der Ausgang zur Hafenstadt Famagusta, heute dient das gleichnamige Tor als Kulturzentrum von Nikosia.

Nach einer kurzen Kaffeepause schaue ich mir die Omeriye-Moschee auf der griechischen Seite an. Sie wird von syrisch-libanesischen Muslimen betreut, die vor der Moschee auf Plastikstühlen sitzen und gewebte Teppiche und kleinere Souvenirs verkaufen – obgleich es nicht so aussieht, also würden hier heute noch viele Tourist:innen vorbei kommen. Auf meine Frage, ob ich in die Moschee hineingehen darf, lächelt mich einer der Männer freundlich an und macht eine einladende Geste in das Gebäude hinein. Der Teppichboden unter meinen nackten Füßen ist weich und sehr sauber, durch das große Fenster gen Osten scheint warmes Licht. Zwei Männer liegen auf dem Boden, einer betet. Glaubt man den Google Rezensionen, ist der große Garten sowie die Moschee auch bei Nacht geöffnet und frei zugänglich für Wohnungslose. Obwohl in Südzypern doch einige Moscheen zu finden sind, ist die mehrheitliche Religion unter Zypern-Griechen griechisch-orthodox, während in Nordzypern die Mehrzahl muslimisch ist.

Die damalige gotische Kirche soll im 16. Jahrhundert schwer von Beschüssen des damaligen osmanischen Reichs getroffen - und schließlich nach der Eroberung als Moschee wieder aufgebaut worden sein.

Solange ich so nahe der Grenze entlang gehe, höre ich mehrmals den Ruf des Muezzins von der türkischen Seite herüber klingen. Auf meinem Spaziergang komme ich immer wieder an Stacheldraht und schweren Eisentonnen vorbei. This is the United Nations Bufferzone, steht hier auf englisch, türkisch und griechisch. Fotografieren ist hinter dem Zaun verboten, Betreten erst recht. Die auch als „Green Line“ bezeichnete Pufferzone trennt die türkische von der griechischen Seite Zyperns und ist streckenweise fast drei Kilometer– hier im Bereich von Nikosia allerdings nur wenige Meter - breit. Entlang der Pufferzone stehen vereinzelt Friedenstruppen der vereinten Nationen – kurz Blauhelme – die nicht fotografiert werden dürfen. Sie sollen ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen verhindern.

Nachdem ich am zweiten Tag ein Interview gehabt hätte, das leider abgesagt wurde, muss ich mir anderes Programm suchen – Termine werden hier nicht ganz so verbindlich gesehen (das war übrigens auch in der Uni so, an der ich während meines Auslandssemsters studiert hab). Ich spaziere also zum Parlament, das mich, zugegebenermaßen, etwas enttäuscht. Das Parlamentsgebäude unterscheidet sich kaum von den umstehenden Wohnhäusern – und ist außerdem geschlossen. Das politische Sommerloch zieht sich in Zypern wohl etwas länger als in Österreich.

Das zypriotische Parlament - zwar etwas moderner, ansonsten aber kaum von den umliegenden Wohnhäusern zu unterscheiden.

Nach Tabouleh und Muhammara bei einem libanesischen Lokal und einem kurzen Abstecher ins Hotel mache ich mich also auf den Weg ins Nimac (Nicosia Municipal Arts Centre), ein Kulturzentrum, in dem neben Ausstellungen oft auch Filme gescreent werden. So auch am Dienstag – es ist gerade die sechste Ausgabe des Queer Wave, ein Filmfestival, bei dem LGBTQ+ Filme aus aller Welt gezeigt werden. Mit einem Getränk setze ich mich zu einem jungen Zyprioten, der mich freundlich angrinst. Wir kommen ins Gespräch, er erzählt mir von seinem Vater, der vom Norden der Insel flüchten musste, als der Krieg 1974 wieder aufflammte. “I am still going to the other side“, sagt er, als ich ihn danach frage. Ob sein Vater deswegen wütend auf ihn ist, weiß er nicht. „But he also has friends there“, sagt der junge Mann noch. Er würde sich einen Zusammenschluss der Insel wünschen – Hoffnung dafür hat er wenig. „The education system here is so bad. In school, we just learned about what the turkish people did. It is very one-sided“, erzählt er. Dass ein Zusammenschluss der Insel funktionieren könnte – dafür müsse sich erst was am Bildungssystem ändern.






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Nordmazedonien, Tag 1: Apathische Jugend inmitten von Protesten