βEs war ganz normal, dass alle drei Sprachen sprechen.β
Von Novi Sad ging es heute weiter nach Kikinda, das im Osten der Vojvodina, weniger als 15 Kilometer von der Grenze zu RumΓ€nien liegt. Dort habe ich Hilda Banski besucht. Sie ist 84 Jahre alt und lebt mit ihrer Tochter in einem alten Haus mit prΓ€chtigem Garten.
Hilda Banski hat mir ihre Geschichte erzΓ€hlt. Sie ist 1940 als Kind von Donauschwaben im Banat geboren, ihre Muttersprache ist Deutsch. Sie freute sich darΓΌber, mit mir Deutsch sprechen zu kΓΆnnen. Im Alltag hier kΓ€me es dazu fast nie mehr dazu. FrΓΌher sei es ganz normal gewesen, dass mehrere Sprachen gesprochen wurden, fΓΌgt sie hinzu.
Doch Hilda Banskis Geschichte ist viel mehr als das. Sie handelt von der Vertreibung und dem Massenmord an der donauschwΓ€bischen BevΓΆlkerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Hilda Banski war vier Jahre alt, als ihre Familie auseinandergerissen wurde und spΓ€ter nie wieder zusammengefunden hat.
Ihr Vater starb im Krieg, ihre Mutter wurde, wie viele donauschwΓ€bische Frauen, in die Sowjetunion verschleppt, wo sie jahrelang in einem Zwangsarbeitslager im Donbass festgehalten wurde. Hilda Banski wurde zur gleichen Zeit mit ihrem Bruder und ihren GroΓeltern in ein Lager interniert. Es handelte sich um eine Vergeltungsaktion des kommunistischen Jugoslawiens, das die Deutschsprachigen kollektiv beschuldigte mit den Nationalsozialisten kollaboriert zu haben. Kinder waren von diesen Anschuldigungen nicht ausgenommen.
Hilda Banski lebt seit 1948 in Kikinda im Banat
Hilda Banski lebte vier Jahre lang in verschiedenen Lagern. Die ZustΓ€nde waren katastrophal. Viele starben an Hunger oder Krankheiten. Auch Hilda Banskis GroΓvater hat nicht ΓΌberlebt. Einmal, erinnert sich sie, habe es den Befehl gegeben, dass sich alle Frauen auf dem Vorplatz versammeln und hinlegen mΓΌssen, mit dem Gesicht zum Boden. Die Kinder sollten sich daneben hinsetzen. Dann wurden die Frauen mit Ruten geschlagen und die Kinder mussten zusehen. Auch Hilda Banskis GroΓmutter wurde geschlagen.
1948 wurden sie schlieΓlich freigelassen. Das Erlebte habe sie daraufhin jahrzehntelang verdrΓ€ngt, erzΓ€hlt Hilda Banski. Heute kommen ihr die TrΓ€nen, wenn sie an diese Zeit zurΓΌckdenkt.
Mit der Hilfe von ihrer Tochter Erika kocht Hilda Banski noch selbst ihr Lieblingsgericht:
GefΓΌllte Paprika in ParadeisersoΓe
Nach dem Interview wurde ich zum Essen eingeladen. Es gab gefΓΌllte Paprika in βParadeisersoΓeβ und anschlieΓend einen βWeichsel-Kuchenβ. Viele Begriffe stammen vom Γsterreichischen ab.
SpΓ€ter machten wir einen Spaziergang durch Kikinda. Auch hier sind prΓ€chtige Baumalleen zu finden. Alte HΓ€user entlang der ehemaligen βHerrengasseβ erinnern an frΓΌhere Zeiten der ΓΆsterreichisch-ungarischen Monarchie.
Kikinda hat heute, wie viele StΓ€dte in Serbien, mit der Abwanderung von jungen Menschen zu kΓ€mpfen. Die Stadtverwaltung ist daher bemΓΌht Freizeitangebote fΓΌr Kinder und Jugendliche anzubieten.
Ein Mammutfest fΓΌr GroΓ und Klein in der Innenstadt von Kikinda
Vor etwas mehr als 100 Jahre war diese Stadt noch Teil der ΓΆsterreichisch-ungarischen Monarchie
Hilda Banski arbeitete als KindergΓ€rtnerin und war bis 2023 in der donauschwΓ€bischen Kulturarbeit tΓ€tig. Jetzt hat sie diese Agenden ihrer Tochter ΓΌbergeben, die seit kurzem wieder in Kikinda lebt. Sie wanderte im Zuge des Jugoslawien-Krieges in den 1990er Jahren nach Kanada aus, wo sie an verschiedenen UniversitΓ€ten und bei den Vereinten Nationen als Bibliothekarin arbeitete. Sie hatte in Novi Sad Deutsche Literatur studiert.
(Viktoria Tatschl)