Thessaloniki/Athen: Mindestlohn und Mietenwahnsinn

Von Milena Österreicher

Nochmal Kalispera aus Griechenland!

Nachdem ich in Thessaloniki krank geworden bin, hatten sich meine Pläne etwas verändert. Zum Glück waren Gesprächspartner:innen wie Maria Karigianni flexibel, sodass ich ansteckungsfreie Online-Gespräche führen konnte.

Maria Karigianni ist Mitglied der Initiative CoHab Thessaloniki. CoHab wurde 2016 in Athen als Plattform aus Forschenden, Aktivist:innen und Stadtbewohner:innen gegründet, um alternative Wohnformen zu marktgesteuertem Wohnraum zu entwickeln. Die Initiative erarbeitet Modelle für „Housing Cooperatives“ – gemeinschaftlich getragener Wohnraum als solidarische Alternative – und organisiert Workshops und partizipative Prozesse, bei denen Bewohner:innen, Architekt:innen und Rechtsexpert:innen gemeinsam städtebauliche Bedürfnisse, Finanzierungswege und juristische Rahmenbedingungen diskutieren.

Maria Karigianni von “CoHab Thessaloniki” erzählt von der angespannten Lage am Wohnungsmarkt.

In meinem Gespräch mit Maria bestätigte sich, was mir bereits mehrfach während meines Aufenthaltes erzählt worden war: Bezahlbarer Wohnraum ist für junge Menschen in Griechenland längst eine der drängendsten Sorgen.

Besonders in Athen und Thessaloniki, den größten Städten des Landes, klafft eine wachsende Kluft zwischen Einkommen und Mietpreisen. So stieg zwar der Mindestlohn 2024 auf 830 € brutto, Durchschnittsgehälter liegen bei rund 1.400 € brutto, doch die Mieten steigen seit Jahren stärker als Inflation und Einkommen.

In Athen sind Mietpreise in den letzten drei Jahren in zentralen Lagen um etwa 20–30 Prozent gestiegen, in Randlagen um 10–15 Prozent. Die Mieten für kleine Apartments in zentralen Stadtteilen liegen oft zwischen 550 und 800 € pro Monat. Für viele junge Griech:innen ist das unbezahlbar.

Die griechische Regierung hat Förderprogramme angekündigt, um jungen Menschen den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern. Diese betreffen aber vorwiegend den Wohnungskauf. Gleichzeitig wächst der politische Druck, Kurzzeitvermietungen wie Airbnb stärker zu regulieren, um Wohnraum wieder langfristig verfügbar zu machen.

Zum Abschluss meiner Reise verbringe ich zweieinhalb Tage in Athen. Dort angekommen, treffe ich abends gleich Katerina von der dortigen “CoHab”-Initiative und spreche mit ihr darüber, was jungen Menschen in der Hauptstadt helfen würde.

Am nächsten Tag führt mich eine - ziemlich lange, mehr als 3,5 Stunden - Free Walking Tour durch Athen. Nach einer kleinen Mittagspause mache ich mich dann auf den Weg zu Shedia. Shedia ist eine Straßenzeitung, die seit 2013 in Athen und seit 2014 in Thessaloniki von Menschen verkauft wird, die armutsgefährdet oder von Obdachlosigkeit betroffen sind. Teil der Organisation ist inzwischen auch ein Café & Restaurant im historischen Zentrum Athens, das 2019 eröffnet wurde. Shedia organisiert außerdem Straßenfußballturniere, zu denen alle eingeladen sind, und bietet Stadtführungen an, die von Menschen geleitet werden, die (ehemals) obdachlos waren. Ein ziemlich cooles Projekt!

Aus den überschüssigen Ausgaben der Straßenzeitung werden Kunstinstallationen und Schmuck geschaffen und im Shedia-Café verkauft.

Im Café bin ich mit Spyros Zonakis verabredet. Er ist Journalist bei der Straßenzeitung und erzählt, wie immer mehr Menschen - vor allem jüngere und ältere Menschen - von einer Form der Obdachlosigkeit betroffen sind. “Wir dürfen unsere Augen vor diesem großen Problem nicht schließen”, sagt er.

Welche Lösungen Katerina und Spyros sehen und was die Stadtpolitik umsetzen möchte, erfahrt ihr in meinem Abschluss-Artikel.

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