Ungarn, Tag 2 - Zwischen Unsicherheit und Zuversicht
Der zweite Tag beginnt im Büro der Háttér Society. Wir überqueren einen unscheinbaren Innenhof, bis wir vor einer Tür stehen, hinter der der älteste Verein Ungarns arbeitet, der sich für LGBTQ+ Rechte einsetzt. Dort treffen wir Dorka Kutassy.
Dorka Kutassy im Archiv der Háttér Society.
Foto: Max Herbst
Dorka spricht sachlich über die Arbeit, die sie seit Jahren machen – Rechtsberatung, soziale Unterstützungsangebote, Community-Events, Krisenhilfe. Doch zwischendurch fällt der Satz: „Wir wissen nicht, ob wir in ein paar Monaten überhaupt noch als Verein existieren.“ Vieles sei ungewiss. Auf die Frage, was Dorka Zuversicht gäbe, zitiert Dorka einen Satz, der bei einem queeren Kunstevent auf die Wand gemalt wurde: „An army of lovers cannot lose“. Ein Satz wie ein Mantra.
Foto: Max Herbst
Nach dem Gespräch mit Dorka gehen wir in ein zweites Büro des Vereins. Das Büro ist sehr versteckt: Nirgends ist ein Schild angebracht und das Milchglas schützt vor ungewollten Blicken. Lediglich ein kleines, vielleicht zwei Zentimeter großes Logo zeigt uns, wo wir klingeln müssen. Im Büro treffen wir auf Àrmin. Seit einem Jahr kümmert sich der Sozialarbeiter vor allem um trans Klient*innen. Er erzählt von fehlenden Ressourcen und der Einsamkeit vieler queerer Menschen, die außerhalb von Budapest leben. Auch die Jobsuche ist in der Hauptstadt leichter, da hier internationale Firmen sitzen, deren Leitbilder Diskriminierung untersagen.
Ein Community-Raum der Háttér Society in Budapest.
Foto: Max Herbst
Nach einem blitzschnellen Mittagessen fahren wir mit dem Bus über die Donau zum Csörz Park. Dort treffen wir Vivi und Laura mit ihrem Dackel Kiki, der Bobby von gestern in Sachen Benehmen übertrifft. Die beiden erzählen von ihrem Leben in Budapest: Freundeskreis, Supportsystem, eine Wohnung, die sie lieben. „Wir fühlen uns wohl hier.“ Und trotzdem: Sollte Fidesz bei der nächsten Wahl wiedergewinnen, wollen sie wegziehen. „Die Luft wird dünner“, sagt Vivi. Während unseres Interviews werden wir von einem Mann unterbrochen, der uns lallend in drei Sprachen unterhält. Er ist freundlich, schenkt uns Karamellbonbons, doch sein Redebedarf ist sehr groß. Er wankt zu einem öffentlichen Klo, das im Park zur Verfügung steht und beginnt plötzlich laut auf Ungarisch zu schimpfen. Vivi und Laura lachen zwar, aber erklären uns, dass er gerade das Waschbecken im Klo homophob beschimpft hat.
Beim Abendessen sortieren wir die Eindrücke: Gespräche über queeres Leben, Momente der Zuversicht, aber auch die Last der Politik. Ein zweiter Tag voller Gegensätze.