Athen: Auf den Spuren der Demokratie

Von Milena Österreicher

In den vergangenen Wochen habe ich in Griechenland - in Thessaloniki, in Orten auf meiner Weiterreise nach Athen und in der Hauptstadt selbst - viele Gespräche mit jungen Menschen geführt. Immer wieder kam das Thema Politik und Demokratie auf. Und fast immer hörte ich zwei Dinge: eine tiefe Frustration über die politische Lage und dennoch bei vielen auch eine beeindruckende Bereitschaft, sich gesellschaftlich einzubringen.

Viele erzählten mir, dass sie das Gefühl haben, ihre Stimmen würden wenig zählen, Korruption und Klientelismus würden den politischen Alltag bestimmen. Maria, die sich in der Klimabewegung in Athen engagiert, sagt: “Was bleibt einem anderes übrig, als aktiv zu werden?”

Magda Fyssa, die Mutter des 2013 ermordeten Rappers Pavlos Fyssas, spricht auf einem Konzert zu seinen Ehren in der Nähe des Athener Hafens Piräus.

Ein zentrales Thema ist für einige meiner Gesprächspartner:innen auch der Aufstieg der extremen Rechten. Griechenland hat damit einschneidende Erfahrungen gemacht: Die neonazistische Partei Goldene Morgenröte war ab 2012 im Parlament vertreten. 2020 wurden führende Mitglieder in einem historischen Prozess als Teil einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Besonders der Mord am damals 34-jährigen Pavlos Fyssas, einem linken Rapper, der 2013 von einem Mitglied der Goldenen Morgenröte erstochen wurde, bleibt etwa für Maria bis heute ein Symbol für den tödlichen Hass, den rechtsextreme Ideologien schüren können.

Ioanna Meitani engagiert sich gegen Ausgrenzung und Hass in der griechischen Gesellschaft.

Um diese Entwicklungen besser zu verstehen, habe ich Ioanna Meitani von der Organisation “Simeio – Researching & Confronting the Far Right” getroffen. Simeio ist seit 2017 aktiv und versteht sich als unabhängige Plattform von Bürger:innen, die Hass, Intoleranz und rechtsextremer Ideologie entgegentreten. Sie dokumentieren rechtsextreme Vorfälle, analysieren politische Entwicklungen und bilden Lehrer:innen fort, damit diese in ihren Klassenzimmern Themen wie Hate Speech, Rassismus oder Extremismus aufgreifen können. „Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen, solche Muster früh zu erkennen“, sagt Meitani.

Unser Gespräch drehte sich auch um die politischen Rahmenbedingungen: Meitani betonte, dass rechte Rhetorik längst nicht mehr nur ein Randphänomen ist, sondern in den Mainstream eingezogen ist. Ein Beispiel dafür seien aktuelle Verschärfungen der Migrationspolitik: etwa die Aussetzung von Asylanträgen für Menschen, die per Boot aus Nordafrika kommen, oder die Verlängerung der maximalen Haftdauer für Menschen ohne gültige Dokumente von 18 auf 24 Monate.

Mustafa Mohammad kam selbst vor zehn Jahren aus Syrien nach Athen und kennt die Sorgen und Herausforderungen der jungen Menschen, die heute seine Organisation “Youth Velos” aufsuchen.

Mein nächster Termin führt mich zu Mustafa Mohammad, dem Leiter von Velos Youth. Die Organisation unterstützt junge Geflüchtete bei der Suche nach Wohnraum, bei der Ausbildung, der Jobsuche und bietet als Jugendtreffpunkt auch einfach nur einen Raum zum - vorübergehenden - Ankommen.

Mit Mohammad spreche ich über die prekäre Wohnsituation für Asylwerber:innen und Migrant:innen und wie Youth Velos versucht, bestmöglich Unterstützung zu bieten. Er betont, dass sich Europa dringend politische Lösungen überlegen müsse – nicht nur für Griechenland, sondern insgesamt im Umgang - besonders mit jungen - Schutzsuchenden, von denen viele in einem Limbo aus Ausgrenzung, Einsamkeit und Perspektivenlosigkeit gefangen seien. “Sie sind auch die Jugend Europas”, sagt er zum Abschluss.

Wenn man die Kamera hoch genug hält, schafft man ein Foto ohne den gefühlt tausenden anderen Tourist:innen auf der Akropolis.

Vor meiner Abreise bin ich noch auf die Akropolis gestiegen: den Felsen, der über Athen thront und seit über 2.500 Jahren das Symbol der Stadt ist. Zwischen den Säulen des Parthenon, den Überresten der Propyläen und den Tempeln spürt man, wie stark hier Geschichte verdichtet ist.

Die Akropolis steht auch für eine Zeit, in der in Athen ein politisches System entstand, das den Namen Demokratie trug: die Herrschaft des Volkes. Natürlich war diese Demokratie nicht inklusiv – Frauen, Sklaven und Zugezogene waren ausgeschlossen –, aber hier wurde das Prinzip geboren, dass politische Entscheidungen von “freien Bürgern” getroffen werden sollten.

Während ich auf die Stadt hinabblicke (und versuche, dabei die Scharen an Tourist:innen zu ignorieren), lasse ich die Eindrücke dieser Reise Revue passieren. Die Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen haben mir einmal mehr gezeigt, dass der Kampf um Mitbestimmung, Gerechtigkeit und ein Leben in Würde immer weitergeht. Auf unterschiedliche Weise, aber immer mit einem Funken Hoffnung auf Veränderung, der eine:n weitermachen lässt.

Mit Demokratie lässt sich vielfältig werben.

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