Korsika, Tag 2: Lang lebe der Stammtisch
Ich sitze im Café. Über mir spendet eine alte Kiefer Schatten, vor mir wiegt sich das Mittelmeer. Neben mir haben es sich zwei junge Französinnen bequem gemacht. Sie kommen ursprünglich aus Toulouse, ihren Urlaub verbringen sie dieses Jahr auf Korsika. Eigentlich wollten sie weiter weg fahren, doch dafür reicht das Geld nicht. Die beiden erzählen von der hohen Arbeitslosigkeit im Land, den vielen jungen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, der steigenden Kriminalität. Sie sind besorgt. Optimismus ist keiner spürbar.
Begegnungen wie diese stimmen mich nachdenklich. Zugleich erinnern sie mich daran, warum ich es liebe, Journalistin zu sein. Es ist eben ein Beruf von der alten Schule. Gerade in meinem Heimatland Tirol, wo der Lokaljournalismus noch hochgetragen wird, erfährt man viele gute Geschichten nach wie vor am Stammtisch im Gasthaus. Das gilt auch für Korsika.
Junge Menschen erreicht man heute aber mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser, über Social Media - dem Online-Stammtisch. So wie einen jungen Mann, der sich auf Reddit @holycrapsandfish nennt. Er ist Teil der Französischen Fremdenlegion im Süden Frankreichs und beantwortet online jegliche Fragen rund um das Leben in der Legion. Was die Fremdenlegion mit Calvi zu tun hat? Wenige Kilometer außerhalb der Stadt befindet sich das 2. Fremdenregiment der Fallschirmjäger. Sie gelten als die härteste Abordnung der französischen Fremdenlegion. Deshalb bin ich hier.
Ich hatte den Post auf Reddit vor einigen Wochen zum ersten Mal gesehen und Kontakt mit dem jungen Mann, der Mitte 20 ist und ursprünglich aus Deutschland kommt, aufgenommen. Seinen Namen wollte er damals nicht nennen. Doch Fragen beantwortete er bereitwillig. Durch ihn konnte ich auch einen Kontakt zur Kaserne in Korsika und einem Rekruten aus Österreich herstellen. Mit dem Rekruten spreche ich morgen, die Kaserne besuche ich am Donnerstag. Heute Abend bereite ich mich auf die Gespräche unter anderem mit einer Dokumentation des ZDF über das Leben im Fallschirmjäger Regiment vor.
Zugegeben: Ich hatte mich zuvor nie sonderlich für die Französische Fremdenlegion interessiert. Doch nun lässt mich das Thema nicht mehr los. Was treibt junge Menschen dazu, freiwillig zu einer solchen militärischen Vereinigung zu gehen? Sie lassen Freunde und Familie zurück, unterwerfen sich härtesten körperlichen und psychischen Anstrengungen und das für nur 1600 Euro Basis-Sold. Was treibt diese jungen Leute, die meisten von ihnen sind bei Eintritt in die Legion Anfang 20, an?