Kroatien, Tag 3: Nicht pessimistisch, nur realistisch

Ich stelle also fest: In Kroatien aufzuwachsen bedeutet für viele junge Menschen, in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Heimatverbundenheit und dem Drang nach Veränderung zu leben. Ihre Realität ist geprägt von Unsicherheit und begrenzten Perspektiven, aber auch vom Wunsch, etwas Sinnvolles zu schaffen und ein stabiles, selbstbestimmtes Leben aufzubauen.

Daria Vusić berichtet mir von den vielen Schwierigkeiten, auf die sie in ihrem Bereich stößt. Sie ist 20 Jahre alt, studiert in Split Medien und Kommunikation und sieht ihre Zukunft im Bereich PR. Ihre Zukunft sieht sie im Bereich PR, doch dieser habe in Kroatien nicht den Stellenwert, den sie sich wünscht.

Was Daria am meisten spürt und auch bei ihren Mitstudierenden beobachtet, ist die große Unsicherheit, die das Leben junger Menschen in Kroatien prägt. Gute Jobs sind schwer zu finden, Praktika im PR-Bereich nahezu unmöglich. Vor allem im öffentlichen Sektor sind die Positionen oft durch Kontakte vergeben, wodurch echte Chancengleichheit verloren geht. Ihr Wunsch an die Entscheidungsträger: „Wenn ihr schon stehlt, dann klaut bitte ein bisschen weniger. Gebt uns wenigstens einen Teil des Geldes zurück, das wir in ein faires System investieren.“ Außerdem bemängelt sie die fehlende Infrastruktur: Viele junge Menschen pendeln täglich stundenlang oder leben beengt in teuren Wohnungen. „Deshalb denken viele darüber nach, ins Ausland zu ziehen, wo sie ein besseres Gehalt und eine höhere Lebensqualität für ihre Kinder bekommen können.“

Der Diokletianpalast in Split bildet das lebendige, historische Zentrum der Stadt.

Ein zentrales Thema, das auch Daria immer wieder anspricht, ist die Korruption, nicht nur in der Politik, sondern auch im Alltag. Ohne Beziehungen laufe vieles nur erschwert oder gar nicht. Diese strukturelle Ungerechtigkeit frustriert sie spürbar. Sie sagt deutlich: „Wenn sich nichts ändert, werde ich hier nicht bleiben.“

„Ich bin nicht pessimistisch, sondern realistisch”, betont Daria. Sie denkt sogar darüber nach, später im PR-Bereich für politische Akteure in Kroatien zu arbeiten. „Vielleicht kann ich so selbst eine Änderung herbeiführen.“ Doch bis dahin will sie Auslandserfahrung sammeln und ihre Kompetenzen in einem Land weiterentwickeln, in dem es für sie ernsthafte Perspektiven im Bereich der PR gibt. Ihr erscheint dabei besonders ihr Nachbarland Slowenien attraktiv: Es ist in der Nähe, gut vernetzt, bietet kostenlose Hochschulbildung für EU-Bürger und bessere berufliche Perspektiven. Viele Bekannte von ihr studieren aus ähnlichen Gründen in Österreich oder Deutschland. „Kroatien ist leider sehr eingeschränkt, was neue, moderne Wissenschaften und Entwicklungen angeht.“ Sie glaubt: „Wenn die Politik jünger wird und echte Veränderungen stattfinden, könnte sich das Land positiv entwickeln. Dann würden viele junge Menschen wie sie bleiben wollen.

Was braucht es konkret, damit junge Menschen in Kroatien bleiben? Eine echte Investition in die Infrastruktur, ein funktionierender öffentlicher Sektor, faire Chancen unabhängig von Beziehungen – und vor allem eine Politik, die nicht abgehoben, sondern nah an den realen Lebensrealitäten agiert, betont die junge Kroatin. „Sonst sehe ich meine Zukunft eher im Ausland. Ich habe immer noch mein Zuhause hier und könnte zurückkommen. Ich würde auch gerne hier sein. Aber fürs Erste ist das Ausland wahrscheinlich besser.“

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Tag 2: “Alle sagen ich soll gehen - Aber ich bin stur und bleibe”

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Kroatien, Tag 2: Zwischen Gehen und Bleiben