Madrid, Tag 2: Auf den Spuren der “La Manada”Proteste

Neben dem Plaza de España hetzen hupende Autos über die Gran Vía - Madrids bekannteste Straße -, beleuchtete Hochhäuser ragen in die Höhe, ein Brunnen unter dem imposanten Cervantes-Merkmal plätschert und Foodtrucks locken mit spanischen Snacks: Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich mir vorstelle, dass dieser riesige Platz und die breiten Straßen 2018 mit tausenden Demonstrierenden gefüllt waren. „No es abuso, es violación“ – „Es ist kein Missbrauch, es ist Vergewaltigung“ – war der Slogan  der feministischen Proteste, die sich nach einem Gerichtsurteil zu einem Gruppenvergewaltigungsprozess in ganz Spanien organisierten.  Die Rede ist von dem Fall "La Manada", bei dem im Juli 2016 ein 18-jähriges Mädchen von fünf Männern - die sich selbst als " La Manada" - "Das Rudel" bezeichneten - in einem Hauseingang in Pamplona vergewaltigt wurde. Die Empörung über das Urteil, das die Tat zunächst nur als sexuellen Missbrauch wertete, brachte Hunderttausende auf die Straße.  Diese feministischen Proteste und der Druck der Zivilgesellschaft führten letztendlich zur Entstehung des "Ley Orgánica de garantía integral de la libertad sexual" - also dem Gesetz zur zur umfassenden Gewährleistung der sexuellen Freiheit, unter "solo sí es sí" bekannt. Mein zweiter Recherchetag am Dienstag stand ganz im Zeichen dieser feministischen  Proteste. 

Plaza de España am Abend

 Beim Hotelfrühstück am Vormittag habe ich mir noch ein paar süße spanische Wassermelonenstücke gegönnt, bevor ich mich auf mein drittes Interview mit  Marina, der Direktorin der Empoderadas Madrid vorbereitete. Die Empoderadas Madrid sind Teil der Fundación Mujeres Jóvenes - die die größte landesweite feministischen Organisation junger Frauen zwischen 14 und 31 Jahren ist.  Am späten Nachmittag haben wir uns in ihrem Büro etwa 30 Minuten zu Fuß von meinem Hotel entfernt verabredet. Die Suche nach dem Gebäude stellte sich aber schwieriger heraus als gedacht: Laut Google Maps war ich an der richtigen Adresse angekommen, ein Haus mit der richtigen Nummer oder einem Schild, das auf die Organisation hindeuten würde, gab es aber nicht. "I am here" schrieb ich Marina auf WhatsApp. Erst als sie plötzlich vor mir auf der Straße stand, realisierte ich, dass es sich bei dem grauen etwas heruntergekommenen Gebäudekomplex mit geschlossenen Rollos, um die richtige Adresse handelte. "Are you Tabea?" fragte Marina und deutete mir zu zur Tür zu kommen. 

Vor dem Gebäude

Marina erklärte mir, dass hier nicht nur die Empoderadas Madrid ihren Sitz hätten, sondern auch viele andere Frauenorganisationen, die unter anderem direkte Hilfe für Gewaltopfer bieten. Ein Ort für Schutz und Information und daher von außen so wenig wie möglich auffallen soll. Fotos und Videos der recht sterilen und leeren Innenräumen durfte ich nicht machen. Für ein kurzes Videostatement war Marina aber bereit. Sie erzählte mir von der tiefverankerten feministischen Bewegung in Spanien und warum sie die Intention hinter dem "Solo sí es sí"-Gesetz begrüße, aber trotzdem einige Kritikpunkte sieht. Marina sprach außerdem von den großen und emotionalen Protesten nach "La Manada", wo sie selbst dabei war. Die Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit und Zuversicht verlor sie nie.
Wer keine positive Zukunftsvision hat, sollte nicht mitmachen. Wir investieren hier so viel unbezahlte Zeit, weil wir fest davon überzeugt sind, dass sich für die Frauen in Spanien alles zum Besseren wenden wird.
— Marina, Empoderadas Madrid

Marina, 26 Jahre alt und seit sechs Jahren aktiv bei den Empoderadas Madrid

Nachdem mir Marina noch ein wenig von den “aufwühlenden” und “hochemotionalen” Protesten erzählte, entschied ich mich dazu, selbst einen Teil der häufig gegangenen Demonstrationsrouten zu gehen, um mir ein Bild von den Dimensionen zu machen. Also spazierte ich die Gran Vía entlang und kam dabei beim Plaza de España und dem Justizministerium vorbei, wo sich nach dem “La Manada”-Urteil Zehntausende Menschen protestierend versammelten.

Nachdem es mittlerweile ziemlich spät wurde und die Distanzen in Madrid nicht zu unterschätzen sind, habe ich mir zum Abschluss des Abends zwei Empanadas gegönnt und mich zum Sonnenuntergang auf einer Bank beim “Templo de Debod” - einem ägyptischen Tempel mitten in Madrid - niedergelassen. Der perfekt Ort, um über die Geschehnisse des Tages und die faszinierende und tief verankerte feministische Bewegung Madrids und ganz Spaniens zu reflektieren. Was ich alles an meinem dritten und vierten Tag in Madrid erlebt habe, erfährt ihr bald!

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