Madrid, Tag 3: Vergessene Frauen und Spanisch für Anfängerinnen

“Wer weiß wie viele U-Bahnstationen in Madrid nach historisch bedeutenden Frauen benannt wurden?” fragte die Tourguidin Sofía Gómez Ramírez auf spanisch in die Runde. Die Gruppe von Menschen, die sich ebenfalls für die Stadtführung “Las mujeres ilustres de Madrid”, also “Die berühmten Frauen Madrids” angemeldet hatte, bestand aus drei spanischen und südamerikanischen Pensionistinnen, drei anderen jüngeren Frauen, einem einzigen Mann und mir. In Madrid gibt es ingesamt 13 U-Bahnlinien und 303 Stationen, aber nur drei der Stationen sind nach historisch bedeutenden Frauen benannt, der Rest nach Männern.

Nachdem mir am Mittwoch eine Interviewpartnerin - eine Absolventin des College of Europe, die ihre Masterarbeit über die EU-Richtlinie zum Kampf gegen Gewalt an Frauen geschrieben hat - abgesprungen ist und unseren Termin auf Donnerstag verschoben hat, habe ich mich spontan dazu entschieden eine Stadttour aus feministischer Perspektive zu buchen. Der Schwerpunkt der Tour lag auf wichtigen spanischen historischen Frauen aus Kultur und Politik.

Leider habe ich nur beim Buchen übersehen, dass die Tour ausschließlich in Spanisch angeboten wird. Als ich beim Treffpunkt am Plaza de Pontejos ankam, wurde mir schnell klar, dass ich auf der Tour eher wenig verstehen werde. Zum Glück habe ich aber schnell die herzliche und quirlige Pensionistin Marylou aus Puerto Rico kennengelernt. Sie hat mich sofort unter ihre Fittiche genommen, um mir Teile der Tour auf Englisch zu übersetzen. Auch eine andere junge Frau hat mir immer wieder Dinge leise auf englisch übersetzt während Sofía über vergessene Frauen und ihre Werke sprach - zum Beispiel über die Schriftstellerin Beatriz Galindo, auch La Latina genannt, nach der der Bezirk “La Latina” benannt wurde. Durch die Tour wurde mir nochmal bewusster, wie sehr die spanische feministische Bewegung und auch die Stadt Madrid selbst durch starke revolutionäre weibliche Persönlichkeiten geprägt wurde, die für ihre Rechte und Sichtbarkeit kämpften.

Ganz links steht Marylou, in der Mitte im gestreiften Shirt die Tourguidin Sofía

Der letzte Stopp der fast dreistündigen Tour war das Museo del Prado, eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt, das trotzdem erst im Jahr 2016 die erste temporäre Ausstellung einer Künstlerin zeigte. Das finde ich sehr spannend, denn obwohl es in Spanien und insbesondere in Madrid seit vielen Jahren - schon vor der Diktatur unter Francisco Franco und vor allem danach ab 1975 - eine sehr starke Frauenbewegung gab, ist der “Machismo” gleichzeitig weit verbreitet.

Nachdem die feministische Stadtführung zu Ende war, tauschte ich mit meiner BFF Marylou Instagram-Namen aus und interviewte spontan die 28-jährige Tourguidin Sofía. In unserem Gespräch erfuhr ich viel über ihre Erfahrungen als junge Frau in Spanien, warum die feministische Bewegung in Spanien so groß ist und was ihre Meinung bezüglich des “Solo sí es sí”-Gesetzes ist.

Sofía bei unserem Gespräch nach der Stadtführung

Besuch weiterer frauenhistorischer Orte

Mit viel Inspiration und neuem Wissen beschloss ich nach der Tour, noch mehr, für meine Recherche relevante, insbesondere frauenhistorisch-interessante, Orte zu besuchen. Also machte ich mich auf den Weg zum nahegelegenen “Ministerio de Igualdad”, hier fand ich überraschend, wie offen mit dem Begriff Feminismus umgegangen wird, denn am Eingang des Gleichstellungsministeriums hängt eine riesige violette Flagge, mit der Aufschrift “Feministas”. Als nächstes trieb es mich zum “La Telefónica”-Gebäude auf der Gran Vía, das zu einem der ersten europäischen Hochhäuser zählt. Hier arbeiteten einst die Telefonistinnen, die für damalige Verhältnisse als arbeitende Frauen recht hoch angesehen waren.

Durch Zufall erfuhr ich außerdem von “Eskalera Karakora”, ein von Feministinnen in kollektiver Selbstverwaltung besetztes Haus im lebhaften Stadtteil Lavapiés. Nachdem ich auf ihrer Website gesehen habe, dass es Mittwochabend ein Event veranstaltet wurde, hatte ich gehofft, dort auf jemanden zu stoßen. Empfangen wurde ich aber nur von einem roten Rollgitter. Also spazierte ich noch ein bisschen weiter die Straße entlang, um mir “La Tabacalera” anzuschauen, eine Fabrik, die gerade renoviert wird und in der vor allem Frauen gearbeitet haben.

Nach einem ereignisreichen Tag und knappe 17.000 Schritte später, freute ich mich am Abend einfach nur ins Bett zu fallen. Wie es mir an meinem vierten und letzten Tag in Madrid erging, erfährt ihr bald! Bis dahin: ¡Buenas noches y hasta luego!

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