Prag (3) A milion chvilek pro democracii. “Wir werden nicht aufgeben”.
10:00. Ich treffe Amálie in einem kleinen Café, das von einer riesigen Bibliothek umgeben ist. Amálie scheint ziemlich optimistisch zu sein, was die tschechische Demokratie betrifft – für sie ist die Wahl wie ein mathematisches Spiel. Alle Möglichkeiten sind offen, auch, wenn Babiš‘ Partei sehr sicher gewinnen wird. Sie ist sich allerdings sicher, dass sich das Ergebnis erst in der Woche vor der Wahl – oder sogar erst am Wahltag – abzeichnen wird. Der Großteil der Menschen hat bis zu einer Stunde vor Schluss der Wahllokale nicht mal entscheiden, wen sie wählen.
Amálie Kovarova hat die Organisation “A milion chvilek pro demokracii” sechs Jahre lang begleitet und gefilmt. Im März 2025 feierte der Film Premiere und brachte sie in über 60 tschechische Orte.
Die Organisation sei laut ihr so erfolgreich gewesen, weil es ein positiv formuliertes Ziel gab. Die Organisation war also nicht gegen etwas (naja, also natürlich schon gegen Babiš), aber in erster Linie FÜR die Demokratie. Viele Menschen waren hoffnungsvoll und motiviert, nachdem sie den Dokumentarfilm über die Bewegung gesehen hatten – weil ihnen bewusst wurde, dass sie als einzelne Teile einer Zivilgesellschaft etwas bewirken konnten und nicht hilflos waren. Besonders in der Slowakei haben viele Menschen geweint und waren voller Hoffnung, dass es die Möglichkeit zu politischer Teilhabe und Veränderung gibt.
Amálie hat mir Merch mitgebracht!
12:30. Im Büro der Organisation „A million moments for democracy“. An der Wand hängt ein Bild von Václav Havel – dem demokratischen Hoffnungsträger. Meine erste Frage: Wo ist der Protest jetzt vor der Wahl, wenn Babiš allen Umfragen zufolge gewinnen wird? Lukasz, der Vorsitzende, sagt, dass das größte Problem die Apathie der Leute ist. Sie sind nicht mehr – wie im Jahr 2017 – wütend, sondern einfach nur noch hoffnungslos. Aber die Ausgangslage ist auch eine andere: Damals war Babiš gerade zum Premier gewählt worden und im Parlament saßen allgemein mehrere ziemlich korrupte und extreme Personen.
Wie repräsentiert sich dieser Mann eigentlich vor den Wahlen?
Babiš, der nette Onkel, der alle Probleme lösen kann. Ein paar Stichworte zum „Trump Europas“.
Riesiges Geschäftsimperium
Uneingeschränkte politische Macht
Populäre Rhetorik
Kontrolle über die Medien
Um die Menschen zu mobilisieren, startet am Dienstag eine niederschwellige Kampagne. Die Idee dahinter ist recht einfach: Jede/r kennt eine Person, die nicht wählen will oder noch zögert. Wenn man es schafft, zumindest eine Person dazu zu bringen, wählen zu gehen, ist das schon ein großer Schritt. Denn jedes Gespräch sei mehr wert als ein Wahlplakat.
… und was, wenn er gewinnt?
„Wenn Babiš gewinnt, werden wir genau hinschauen, wer seine Verbündeten im Parlament sein werden. Wir werden jeden einzelnen Schritt verfolgen. Wir müssen. Wir werden nicht aufgeben.“