Tag 2: Im Transdanubien von Bratislava

Nach der gestrigen Einführung in die slowakische Sprache startet auch mein zweiter Tag lehrreich. In diesem Fall aber eher unfreiwillig: Ein freundlicher Kellner spricht mich am Frühstücksbuffet im Hotel mit den Worten “Všetko v poriadku?” an. Ich muss ihm entgegnen: “I don’t understand.” Er wiederholt es ein zweites Mal und auch diesmal zeige ich ihm, dass ich es nicht verstehe. Und tatsächlich sagt er es ein drittes Mal, aber hängt sofort “Everything fine?” dran. Mit einem Nicken gibt er mir zu verstehen, dass ich zumindest so viel an Slowakisch-Kenntnissen mitbringen sollte. Das Ganze natürlich nett und lustig gemeint. Im Anschluss buchstabiert er mir die Floskel, damit ich künftig nicht aufgeschmissen bin.

Der eigentliche Grund meiner Reise sind die jungen Grenzpendler:innen, die in Bratislava leben und in Wien arbeiten. Wer sich mit diesem Thema besonders gut auskennt, ist das Außenwirtschaftscenter der WKO. In Sichtweite des Präsidentenpalais wird hier österreichischen Unternehmen bei grenzüberschreitenden Fragen Hilfe angeboten. Mein Interview fällt krankheitsbedingt ins Wasser und werde ich hoffentlich am Montag nachholen können.

Die frei gewordene Zeit nutze ich, um zum Bahnhof Petržalka zurückzukehren und weitere Pendler:innen kennenzulernen. Da ich mittlerweile schon ein Auge dafür habe, wie so jemand aussehen könnte, sind die ersten beiden Personen, die ich anspreche, tatsächlich ein junger Pendler und eine junge Pendlerin. Auch der Kontakt zu Adam, den ich gestern von Wien aus begleitet habe, ergab sich, indem ich ihn am Bahnhof angesprochen habe. Über die Motive, die hinter ihrer Entscheidung nach Wien zu pendeln stecken, erfahrt ihr in der Herbstausgabe von “Das Biber”.

Zwischen Petržalkas Plattenbauten vermisst jemand seinen Rucksack.

Danach spaziere ich durch Petržalka, einem der 17 Selbstverwaltungsbezirke Bratislavas. Touristen kommen hier nur mit dem Zug an, verirren sich aber selten weiter als bis zur nächsten Busstation. Dennoch ist dieser Stadtteil südlich der Donau höchst interessant. Bis in die 1920er-Jahre lebten hier mehrheitlich deutschsprachige Menschen, die den damals eigenständigen Ort “Engerau” nannten. Um gegen die Wohnungsnot anzukämpfen, errichtete die Stadt ab den 1970er Jahren eine groß angelegte Plattenbausiedlung, die bis heute den Wohnbau aus der Zeit des Sozialismus zur Schau stellt. Ein schlichter Wohnblock mit 11 bis 13 Stockwerken reiht sich an den nächsten. Alle offenbar exakt gleich hoch. Trotz aller architektonischer Eintönigkeit ist der Stadtteil eine beliebte Wohngegend und mit ca. 114.000 Einwohnern die mit Abstand größte Gemeinde der Slowakei.

Zwischen den Wohnblöcken parken Autos, Jugendliche hüpfen mit ihren Skateboards über Schanzen und ich stehe auf einer der unzähligen grünen Wiesen bei 31 Grad in der prallen Sonne. Schatten spendende Bäume wurden nur nahe an den Hauswänden gepflanzt und kühlen vollgefüllte Parkplätze. Warum an diesem Freitagnachmittag kein Auto weggefahren ist, wird nach einem kurzen Spaziergang klar: Im Herzen des Viertels tummeln sich die Leute in und um den Badesee Vel’ký Draždiak. Die mutigen Kinder schwingen sich mit einem Seil vom Baum ins Nass. Daneben bereitet ein älterer Herr von seinem zu einem Minizirkus umfunktionierten Bollerwagen aus das Material für kleine Kunststücke vor. Für mich wird es Zeit, mir ein Eis zu holen, die Füße ins kühle Wasser zu stecken und den Tag ausklingen zu lassen. Doch beim nächsten Mal bring ich eine Badehose mit!

Echtes Sommerfeeling mit Sonne, Strand und Erdbeereis.



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Tag 3: Die Stadt der vielen Sprachen und Kanonenkugeln

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Tag 1: Was heißt Pendler auf Slowakisch?