Tag 4: Berge und ein Leader
Ich recherchiere warum junge Menschen in Albanien bleiben möchten und ob der Kampf für Umweltschutz einer der Gründe ist. Bis jetzt habe ich aber noch kaum etwas von der Natur Albaniens gesehen. Daher werde ich heute den Berg “Dajti” besteigen.
Der Weg zum Berg ist anders verlaufen als geplant. Eigentlich hätte ich nur einen Bus vier Minuten vom Hotel entfernt nehmen müssen. Dann einige Stationen fahren und danach wieder zu Fuß bis zur Talstation des “Dajti Ekspres” spazieren. Der Bus kommt etwas verspätet an und öffnet seine Türen. In Tirana gibt es zwei Angestellte im Bus: Den Fahrer und den Ticketverkäufer der zu jedem zugestiegenen Passagier hingeht und 40 Lekë (40 Cent) verlangt. Bevor ich einsteige, zeige ich dem Ticketverkäufer mein Handy auf dem die Google Maps Route zu sehen ist und frage, ob das die Linie 15A ist. An den Außenseiten des Fahrzeugs stehen nämlich keine Infos. Er spricht kein Englisch, also hilft mir letztendlich eine junge Frau weiter. Es ist der richtige Bus und ich fahre ein paar Stationen. Plötzlich steht der Ticketverkäufer wieder vor mir. Er geht vermutlich auf die 60 zu und hat fast schon ledrige Haut, vermutlich von der Sonne. Er spricht laut, hektisch und auf Albanisch mit mir. Ich zeige ihm mein Ticket, aber das meint er nicht. Bis ich zwei Wörter verstehe “Aleksander Moisiu”. Meine Zielhaltestelle! Er deutet mir ich soll aussteigen. Anscheinend sind wir schon da. Der Bus fährt aber schon los. Da schreit der Mann dem Fahrer etwas quer durch den Bus zu. Wir halten wieder an, die Türen gehen auf. Laut Google Maps sind es aber noch zwei Stationen und für gewöhnlich ist diese Anzeige vertrauenswürdig. Der Mann redet weiter auf mich ein, also steige ich etwas widerwillig und sehr verwirrt aus. Draußen angekommen überprüfe ich meine Route, aber nein hier bin ich definitiv falsch. Keine Ahnung was der Ticketverkäufer von mir wollte, aber er hat es definitiv gut gemeint. Da bin ich mir sicher.
Naja ist halt jetzt so. Meine Alternativroute führt mich durch ein Wohnviertel, weit weg vom Zentrum. Also hat der Umweg auch sein Gutes. In so einem Viertel, abseits von jeglichem Tourismus und dem für Städte üblichen schöneren Zentrum, war ich eh noch nicht so richtig. Es ist Sonntagvormittag und auf der Straße sind fast nur alte Leute und ein paar Katzen unterwegs. Die Häuser sehen heruntergekommen aus. Die Atmosphäre ist friedlich. Mit dem zweiten Bus geht dann alles recht schnell und schon bald bringt mich eine Gondel den Berg hinauf.
Bergfahrt mit dem “Dajti Ekspres”
Die Wanderung bis zum Gipfel dauert circa einenhalb Stunden. Der Weg ist meistens recht steil, aber machbar. Umringt von Bäumen, fange ich an über die letzten Tage und das Gesagte nachzudenken. Beide meiner Interviewpartner:innen haben das Gleiche gesagt: Die jungen Leute hier seien allesamt unzufrieden mit der Situation in Albanien. Vor allem Ungerechtigkeiten in der Uni und später bei Jobbewerbungen. (Stichwort Vitamin B und Geld) machen ihnen zu schaffen. Praktisch alle würden sich beschweren, aber keiner tut etwas. “Warum nicht?” Das hätten sie schon alles versucht oder das bringe doch nix, sind die Antworten auf diese Frage. Eni, 24 Jahre alt, meint es braucht einen Leader. Jemanden der aufsteht und die Veränderung in Gang setzt. Dann würden die anderen folgen. Sie auch. Der 16-jährige Selim stimmt ihr zu. Wenn ein Leader oder eine Gruppe von Leadern anfangen würde zu protestieren, dann würden sicher viele mitmachen und schon bald gäbe es Veränderungen. Beide wünschen sich, dass ihre Generation die Generation der Veränderung wird. Selim will Albanien verlassen, sieht aber Potenzial in seiner Generation. Eni, will um jeden Preis in Albanien bleiben, glaubt aber nicht, dass ihre Generation etwas bewirken wird. Die Menschen sind zwar unzufrieden, hätten sich aber auch mit der Situation abgefunden.
Aussicht vom “Dajti”
Oben angekommen genieße ich das leichte Kribbeln in meinen Beinen und die schwere Atmung. Am Gipfel eines Berges ändert sich oft die eigene Sichtweise. Es war anstrengend, hat sich aber gelohnt.