Tag 5: Helden und Aufbruch
Tag fünf. Abreisetag. Nach dem Frühstück gehe ich noch ein letztes Mal durch das Stadtzentrum spazieren. Zuerst zum Skanderbeg-Platz. Ein riesiger Platz mit bunten Fliesen aus den unterschiedlichen Regionen Albaniens. Sie sollen die Einheit des Landes symbolisieren.
Fliesen am Skanderbeg-Platz
Der Skanderbeg-Platz wurde nach dem albanischen Fürsten und Nationalhelden Gjergj Kastriot benannt. Sultan Murad II. hat ihm den Namen Iksander, nach Alexander dem Großen und den Rang Bey/Beg, was einem hohen militärischen Rang entspricht, verliehen. Daher Skanderbeg. Die Osmanen wollten sich damals im 15. Jahrhundert im Balkan ausbreiten. Der Heeresführer Skanderbeg hat über 25 Jahre lang gegen das osmanische Reich gekämpft und zusammen mit den Albaner:innen erfolgreich Widerstand geleistet. Letztendlich starb er mit 63 Jahren an einer Krankheit. Zehn Jahre nach seinem Tod haben die Osmanen Albanien erobert. Neben einer bestehenden Reiterstatue am Skanderbeg-Platz, wird derzeit ein modernes Hochhaus in der Form seines Kopfes direkt neben dem Platz gebaut.
Reiterstatue Skanderbeg
Gebäude in Form von Skanderbegs Kopf
Die Flagge Albaniens ist rot mit einem schwarzen doppelköpfigen Adler. Das rot steht für den Mut und die Tapferkeit der albanischen Kämpfer. Gelichzeitig symbolisiert es das Blut der gefallenen Krieger die für Albaniens Freiheit gekämpft haben. Der Adler repräsentiert die Freiheit des Landes. Die zwei Köpfe sind ein Symbol dafür, dass die albanische Bevölkerung zusammenhält sowohl im Land als auch außerhalb.
Dass Albanien zu den Entwicklungsländern zählt, zeichnet sich auch an den Gebäuden ab. Schon an Tag eins ist mir der Kontrast zwischen den alten und oft heruntergekommenen Häusern und den modernen Neubauten aufgefallen. Ein Mittelding aus den beiden Extremen habe ich zumindest in Tirana selten gesehen. Leistbar sind die neuen Hochhäuser für die:den Durchschnittsverdiener:in jedoch nicht. Viele der Gebäude stehen leer oder sind von Firmen gemietet. Meine erste Interviewpartnerin Eni ist von den neuen Bauten, die überall in der Stadt verteilt, wie Pilze aus dem Boden schießen nicht begeistern. Sie findet sie zerstören das Stadtbild und passen nicht hinein. Lieber sollen die alten baufälligen Gebäude renoviert werden. Positiv fällt auf, wie grün die Stadt ist. Ich dachte immer Wien und Paris sind grün, aber Tirana hat um einiges mehr an Bäumen. Überall sind Alleen und Grünflächen, wohl auch um die heißen Temperaturen im Sommer (um die 40 Grad) abzufedern.
Die knapp fünf Tage hier haben mir einen guten Einblick über die Situation der Jugend, ihre Gründe auszuwandern und ihre Gründe zu bleiben gegeben. Viele wollen auswandern, vielen wird geraten zu gehen. Viele davon haben bereits studiert. Die Politik setzt laut den Menschen, mit denen ich im Laufe der Woche gesprochen habe, keine Maßnahmen, um die jungen Leute im Land zu behalten. Françesko der Stadtführer meint, dass alle Länder dieses Problem hätten. Man würde schon eine Lösung finden. Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Veränderung und Resignation zieht sich also auch hier durch. Nichtsdestotrotz, viele Jugendliche sehen Potenzial in ihrer Generation und sind motiviert etwas zu verändern.