Tag 5: Regen zum Abschied
Nachdem ich die ganze Woche über traumhaftes Spätsommerwetter mit viel Sonne und Temperaturen weit über 20 Grad genießen durfte, präsentierte sich mein Abreisetag in der Früh nass und kalt. Eigentlich wollte ich vor meinem Abflug noch die Wasserburg in Trakai ansehen, rund 30 Minuten mit dem Zug von Vilnius entfernt, doch durch den Regen fielen meine Pläne ins Wasser. Stattdessen entschied ich mich, dem KGB-Museum einen Besuch abzustatten. Das Haus in der Gediminas-Straße Nr. 40 wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht nur von sowjetischen Geheimdiensten genutzt, sondern diente während der deutschen Besatzung auch der Gestapo als Hauptquartier – ein Ort mit einer sehr dunklen Geschichte also.
Vergangenheit und Gegenwart
Das Museum liefert viele spannende Informationen und Einblicke zur Geschichte Litauens ab 1940, zum Verlust der Unabhängigkeit, zur Deportation der Bevölkerung in Konzentrations- bzw. Arbeitslager, zu den Partisanenkämpfen, zu den Zwangsumsiedelungen in russische Gebiete, zur Unterdrückung der eigenen Kultur und Sprache – und wie die Menschen ihr Leben trotz der harten Umstände gemeistert haben. Ganz unten im Keller befinden sich die Gefangenenzellen, auch Folterkammern und einen Erschießungsraum gibt es dort. Während ich durch die Gucklöcher einen Blick in die verschiedenen Räume werfe, erschrecke ich kurz – da steht doch tatsächlich ein Mensch in der Zelle! Bei zweitem Hinsehen handelt es sich um einen Pappaufsteller von Wladimir Putin, in Gefängniskleidung und mit dem Kopf zum Boden geneigt.
In den 1940er Jahren wurden viele litauische Familien in russische Gebiete zwangsumgesiedelt, erst nach dem Tod Stalins 1953 durften sie langsam wieder nach Litauen zurückkehren
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund verstehe ich einmal mehr, warum Litauen eine derart klare Kante gegen Putin und den Krieg in der Ukraine zeigt. Zwar gibt es auch in Litauen noch viele Menschen, die sich die alten Sowjetzeiten zurückwünschen, besonders die junge Bevölkerung weist aber eine starke proeuropäische Haltung auf. Die große Solidarität mit der Ukraine ist nicht nur an allen Ecken und Enden auf den Straßen sicht-, sondern auch in den Gesprächen mit den Menschen spürbar. Öfters wurde ich diese Woche gefragt, ob ich es komisch finde, dass in Vilnius so viele ukrainische Flaggen hängen, oder wie die Politik in Österreich zum Krieg steht. Der Krieg ist hier in Litauen allgegenwärtig, mit Russland und Belarus in direkter Nachbarschaft ist die Betroffenheit Litauens um ein Vielfaches stärker als in Österreich, sollte es zu einer weiteren Eskalation kommen. Trotzdem haben die Menschen in den letzten Jahren gelernt, mit der ständigen Unsicherheit umzugehen und damit zu leben.
Viele Erkenntnisse
Nach diesen wichtigen Eindrücken zum Schluss hole ich mir im Supermarkt noch schnell ein paar Kibinai, also Teigtaschen mit herzhafter Füllung, und mache mich auf den Weg zum Flughafen. Eine Woche voller interessanter Gespräche, bereichernder Begegnungen und wertvoller Erfahrungen liegt hinter mir, zurück in Wien werde ich nun all dies verarbeiten und zu Papier bringen. Eine Erkenntnis steht aber über allem: Das wird sicher nicht mein letztes Mal in Litauen gewesen sein, ich komme definitiv wieder!
Regenbogen bei der Ankunft in Wien - wie schön, wenn sich der Kreis schließt