“Wenn Russland kommt, können wir uns verteidigen!”

Karlis Romanovs

Karlis Romanovs ist 22 Jahre alt und arbeitet neben seinem Jus-Studium in einer Anwaltskanzlei. Seit er in der Schule ist, lernt er deutsch. Ein Jahr verbrachte der Lette sogar in Wien am Theresianum. Im Interview gibt er Einblick in seine Altersgruppe: Haben Sie Angst vor dem Krieg? Wie gut kommt die Wehrpflicht an und was wünscht er sich von der älteren Generation?

Fühlst du dich in Lettland als junger Mensch politisch ernst genommen?

Nein, aber nicht jeder ist so “goschat” wie ich. Wir Letten sind eher ruhig und introvertiert. Das hat sicher auch damit zu tun. Aber ich finde es nicht verhältnismäßig, was wir tun müssen, um ein Referendum zu erreichen. Wir brauchen 155.000 Stimmen und das bei einer Einwohnerzahl von 1,8 Millionen Menschen. (In Österreich sind es 100.000 gültige Unterschriften, damit das Volksbegehren im Nationalrat behandelt werden muss.)

Bist du schon einmal gezielt mit Desinformation oder Propaganda – etwa im Zusammenhang mit Russland – in Berührung gekommen?

In Lettland gibt es Medien, die in russischer Sprache lettische Nachrichten schreiben. Da wird der Inhalt geprüft. Einem russischen Sender, der aber gegen Russland geschrieben hat, wurde die Lizenz entzogen. Hier wollte Lettland die eigene Medienlandschaft verteidigen.

Wie ist die Stimmung im Land? Haben die Menschen Angst vor dem Krieg?

Zu Beginn der Invasion der Russen in der Ukraine: definitiv ja! Jetzt ist es anders. Das Leben geht weiter. Aber wenn man die Titel der Medien liest, dann könnte man schon einen anderen Eindruck gewinnen. Wer aber dann den ganzen Artikel liest, merkt, dass es da oft nur um einzelne Aussagen geht, zum Beispiel, wenn ein polnischer Politiker sagt, dass wir uns auf eine Invasion 2027 vorbereiten sollen.

Wird in deinem Umfeld über Verteidigung oder militärische Ausbildung gesprochen?

Ich habe Freunde, die bereits die Wehrpflicht absolviert haben. Ich war anfangs sehr skeptisch. Aber ich sehe, dass die jungen Männer dort eine wirklich gute Ausbildung bekommen. Wir sind zwar klein und haben wenig Männer, aber wir sind sehr gut vorbereitet. Die Kriegsführung hat sich verändert. Wir stehen technisch sehr gut da. Wenn Russland kommt, können wir uns verteidigen!

Bist du bei dieser Jugendgarde dabei?

Nein, aber Schulkollegen und Kolleginnen von mir waren es. Ich habe neben der Schule immer Leichtathletik gemacht.

Wie erlebst du das Miteinander zwischen lettischsprachigen und russischsprachigen Jugendlichen?

Ehrlich gesagt, bin ich nur beim Sport mit russischsprachigen Leuten zusammen. Sonst vermischen wir uns kaum.

Was würdest du dir von älteren Generationen wünschen, wenn es um den Umgang mit deiner Generation geht?

Ich würde mir mehr Offenheit beim Thema LGBTQIA+ wünschen.

Kannst du dich mit dem Begriff „New Nordics“ identifizieren?

Nein, gar nicht. Ich kenne es. Aber ich weiß, dass wir Letten keine Skandinavier sind, aber auch kein Entwicklungsland. Wir müssen uns nicht verstecken.

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