Zypern, Tag 4: Die Sache mit der Staatsbürgerschaft
Ich bin ja generell eher vom Typ „Schauen wir mal was passiert, es wird schon klappen“. Das funktioniert die allermeiste Zeit sehr gut und ich komm an alles was ich brauche – am vierten Tag meiner Zypernreise leider nicht so.
Ich hab mir ein Mietauto ausgeliehen, um von Kyrenia nach Pyla zu fahren – eine kleine Gemeinde im Bezirk Larnaka, direkt im Grenzgebiet Nord/Südzypern. Die Gemeinde hat nicht ganz 4000 Einwohner:innen – griechische und türkische Zypriot:innen wohnen hier gemeinsam. Ich wollte dorthin fahren, um mir das Zusammenleben anzuschauen und eventuell auch ein Gespräch mit dem Bürgermeister zu führen – der laut meinen Vorrecherchen sehr redebereit ist und gerne erzählt, wie das Zusammenleben zwischen Türkisch- und Griechischzypriot:innen funktioniert und was es bräuchte, um das auf der gesamten Insel wieder herstellen zu können. Das Zusammenleben zwischen griechischen und türkischen Zypriot:innen hat ja schon sehr lange sehr stabil funktioniert: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts hat es kaum Spannungen gegeben, bis die Zyperngriechen 1974 mit einem Militärputsch versuchten, die Insel an Griechenland anzuschließen und die Zyperntürken den Norden der Insel als Antwort darauf militärisch besetzten.
Ich hab mir also das Auto ausgeliehen und bin losgefahren – nach ein paar Minuten Eingewöhnungsphase war es auch gar nicht mehr so schlimm, links zu fahren – und hab mich Richtung Süden aufgemacht. Der Linksverkehr ist übrigens auch noch ein Erbe der britischen Kolonialzeit.
Wenig los im Landesinneren
Man kann es naiv nennen, aber ich hab mir tatsächlich keinerlei Gedanken darüber gemacht, ob es ein Problem sein könnte, über die Grenze zu fahren. Normalerweise ist es ja auch kein Problem, mit einem Mietauto über Landesgrenzen zu fahren. Es stellte sich heraus – hier war es eins. Und die Grenzpolizist:innen waren auch gar nicht so amused darüber, dass ich keine Genehmigung hatte, über die Grenze zu fahren und haben sich meinen Pass einbehalten, bis ich wieder aus dem Grenzgebiet draußen war. Schnell alle Möglichkeiten durchgedacht – Auto auf der türkischen Seite stehen lassen, zu Fuß über die Grenze gehen und 45 Minuten bei 35 Grad nach Pyla marschieren? Eher nicht. Mietauto behalten und in ein anderes Dorf fahren? Eher schon! Pyla liegt ohnehin im selben Bezirk wie der Flughafen, eventuell geht sich das also auf der Heimreise noch aus.
Im Endeffekt war die Planänderung aber gar nicht so schlimm - denn wäre ich wie geplant nach Pyla gefahren, hätte ich Deniz nicht getroffen - die im Norden Zyperns aufgewachsen ist. Geboren ist sie allerdings in der Türkei - ihre Eltern sind extra für ihre Geburt in die Türkei gereist, damit sie die türkische Staatsbürgerschaft hat. Die Sache mit der Staatsbürgerschaft in Zypern ist nämlich kompliziert: Die Türkische Republik Nordzypern gibt zwar eigene nordzypriotische Pässe aus - die allerdings nur von der Türkei anerkannt werden. Mit einem nordzypriotischen Pass kann man also praktisch nur in die Türkei reisen. Mit einem türkischen Pass - wie Deniz einen hat - hat das Kind also eine Staatsbürgerschaft, die international anerkannt ist. Zusätzlich hat Deniz aber auch noch den zypriotischen Pass - allerdings nachträglich beantragt.
So kompliziert die Staatsbürgerschafts-Geschichte für Nordzypriot:innen ist, so einfach ist sie übrigens für Superreiche: Nach der Finanzkrise 2013 wollte Zypern Geld ins Land holen - insgesamt soll es sich um eine kolportierte Summe von sechs Milliarden Euro handeln. Das sogenannte “Investitionsprogramm” der Regierung schreibt vor: Eine Aufenthaltsgenehmigung kann man sich schon für 500.000 Euro kaufen - für einen zypriotischen Pass muss man mit zwei Millionen Euro schon etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Investiert werden vor allem in Luxusimmobilien in der Stadt Limassol an der Südküste der Insel.
Wie dem auch sei - vielleicht brauch ich manchmal solche Erlebnisse, um ab und zu doch dran erinnert zu werden, dass es für gewisse Dinge mehr Vorbereitung braucht. Mal schauen, ob ich länger als zwei Tage von der Lernerfahrung zehren werde (Spoiler: eher nicht).