Die zwei Seiten der Mitte von Rumänien

Einen Überblick verschaffen über eine Stadt kann man sich am besten aus der Vogelperspektive. Deshalb ging es auf den Rathausturm. Von hier blickt man auf die beiden zentralen Plätze – Piata Mare und Piata Mica – und sieht ein Stück weit über die Dächer der Oberstadt und auf die evangelische Stadtpfarrkirche mit ihrem markanten Fünfknopfturm.

Blick über die Stadt Sibiu vom Rathausturm aus

Sibiu markiert die geografische Mitte von Rumänien. Die Kreishauptstadt in Siebenbürgen trägt aufgrund der sächsischen Siedler auch den Namen Hermannstadt und war 2007 zusammen mit Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt. Mit dem Titel sind auch viele europäische Förderungen geflossen und die Altstadt wurde aufwendig renoviert. Zumindest in der Oberstadt. Das touristisch geprägte Zentrum ist für viele Besucher auch das einzige, das bei einem kurzen Aufenthalt besichtigt wird.

In den prunkvollen Häusern der Oberstadt lebten früher die reichen Familien, die Unterstadt war Kaufleuten und Handwerkern vorbehalten. Und auch heute sieht man den Unterschied der beiden Stadtteile eklatant. Während die Bauten in der Oberstadt aufwendig renoviert wurden, sind die farbenfrohen kleinen Häuser der Unterstadt nicht im besten Zustand.

Eine Straße in Sibiu mit vielen bunten Häusern

Beim Stadtrundgang in der Oberstadt sieht man zwei Welten aufeinanderprallen. Auf der einen Seite internationale Touristen, die in der Kulisse der Stadt auf der Jagd nach dem perfekten Insta-Foto sind und sich vor Sehenswürdigkeiten rekeln. Auf der anderen Seite am Straßenrand der Fußgängerzone ein alter Mann, der um Geld bettelt. Oder die Romni, die mit ihrem Kleinkind im Wickeltuch in den Gastgärten von Tisch zu Tisch zieht und Holzkochlöffel verkaufen will, während Touristen von Pizza über Ceasar Salad bis Burger internationale Gerichte bestellen.

Die Roma leben wie in vielen europäischen Ländern am Rande der Gesellschaft. Sie hausen in den kleinen Dörfern rund um Sibiu teils in zusammengezimmerten Hütten oder Verschlägen. Doch eines ist anders in Rumänien: Die rund zwei Millionen Roma, die hier leben, sind eine von 19 anerkannten Minderheiten. Sie sind im Nationalparlament und in den kommunalen Parlamenten vertreten und ihre kulturellen und sozialen Einrichtungen werden öffentlich gefördert. Die Zahl der Roma in Rumänien ist nur eine Schätzung. Wie viele Menschen der Volksgruppe genau in Rumänien leben, ist ungewiss, da viele aus Sorge vor Diskriminierung nicht angeben, Roma zu sein.

Abgrenzung gegenüber Roma ist auch vielen Rumänen wichtig. Eine Stadtführerin etwa beklagt sich, dass Rumänien in Europa oftmals mit Roma gleichgesetzt werden. Was mit der Bezeichnung Roma zusammenhänge, sagt sie. „Wir dürfen sie nicht mehr Zigeuner nennen, obwohl sie sich selbst Zigani nennen“, sagt die Stadtführerin aus Sibiu.

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Je weiter weg, desto auffälliger der Kontrast

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