„Das Problem ist die Gentrifizierung“

Dicke Betonwände halb abgerissener Bauruinen, die Hälfte der Azulejos fehlt schon, die Türen sind vernagelt, die Fenster eingeschlagen. „Casas para viver“ liest man auf Plakaten in Porto und Lissabon. Sie kündigen die Demonstration am Samstag an. Laut den Organisatoren wird sie in 20 portugiesischen Städten stattfinden. Hier gebe es wöchentlich Demonstrationen, sagen die einen. Das wird eine Riesensache mit einer Million Menschen auf der Straße, sagen die anderen. Egal ob Immobilienbesitzer oder kurz vor der Deportation stehend: Die hohen Wohnkosten scheinen das bestimmende Thema – zumindest in den Städten Portugals.

Ein Haus in Portugal dem die Fenster fehlen

„Das Problem ist die große Gentrifizierung. Wir werden eine Demo am Samstag haben. Das Ding kocht hoch“, sagt eine Frau, die anonym bleiben möchte. Sie hätte gekämpft, um im Land bleiben zu können und das habe auch mit jenen Organisationen zu tun, die helfen, Deportationen zu verhindern. Die Veranstaltung am Samstag ist gleichzeitig eine Klimademo, aber Massentourismus und Plattformen wie AirBnB ist, was die Leute hier am meisten aufregt. Das Gesetzespaket „Mais Habitação" soll Vermietung, leistbares Wohnen, Kurzzeitvermietungsdienste wie AirBnB, leerstehende Immobilien und Steuern neu regeln soll. Er wurde vom Parlament verabschiedet, nachdem der Präsident sein Veto eingelegt hatte. 

„Wenn du durch Lissabon gehst, wirst du viele Zelte sehen. Es ist unglaublich. Als der Papst gekommen ist, haben sie die Zelte wegräumen lassen. Auch neben meinem Haus schläft eine Frau unter einem Baum", schildert die Frau. Ich traf sie auf einem Spielplatz in der Nähe einer Wohnung, die ich aufsuchte. Eric musste sie verlassen. Er beschloss, zu seinen Großeltern in Luxemburg zu übersiedeln. „Ich musste meine Wohnung vermieten", sagt der junge Mann.  „Mein Einkommen reichte nicht mehr aus. Ich brauchte im Monat um 300 Euro mehr als mein Lohn ausmachte“. Von seinem Vollzeitjob bleiben ihm 1150 Euro netto. Der Durchschnittslohn liegt in Portugal zwischen 1200 und 1400 Euro

„Ich musste gehen und hoffe, dass ich zurückkommen kann, wenn die Inflation runtergeht oder die Steuern sich verringern", sagt er. Nachsatz: „Bevor ich ganz verkaufen muss.“ Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer lebte 2022 von weniger als 1000 Euro monatlich. Bei jenen unter 30 Jahren sind es sogar 65 Prozent, zeigen die Daten des Ministeriums für Arbeit, Solidarität und sozialer Sicherheit.

„Sprechen Sie Deutsch, fragte mich der Kellner mit Schweizerdeutschem Akzent, als ich ihn frage, wie lange es das Café schon gebe? Er stellt sich als „Hans, also João“ vor. 18 Jahre hat der gebürtige Portugiese in der Schweiz gearbeitet. Aber das sei 20 Jahre her. Gefragt, ob der seine jungen Landsmänner und -frauen verstehe, wenn sie es ihm gleich tun und zum Arbeiten in die Schweiz gehen, antwortet er: „Natürlich! Es ist zwar das Wohnen so teuer, aber es rechnet sich noch immer."

Zurück
Zurück

Wofür die Portugiesen bei 34 Grad auf die Straße gehen

Weiter
Weiter

Krebs bekämpft, Sohn geboren, Programmieren gelernt