Gastronomie und Savoir-Vivre

Ein Mann führt eine Kuh durch eine Straße . Auf der Seite stehen Menschen und beobachten das Geschehen

Ich habe die Region Haute-Savoie und insbesondere Annecy für meine Recherche-Reise vor allem deshalb gewählt, weil sie bei uns einigermaßen unbekannt ist und zugleich geographisch und kulturell einige Gemeinsamkeiten mit Österreich aufweist: dazu zählen etwa die Bergkulisse, die Liebe zum Schifahren und für herzhaftes Essen, Dorffeste und Umzüge, um nur ein paar Parallelen zu nennen.

Bei dem gestrigen traditionellen Fest zum Almabtrieb in der Altstadt von Annecy hätte ich also fast glauben können in Österreich zu sein, würde um mich herum nicht der Großteil der Menschen Französisch sprechen.  

Ich habe das Spektakel zum Anlass genommen, um die Besucherinnen und Besucher nach ihrer Meinung zu Frankreichs Kompetenzen zu befragen und wenngleich sich nicht alle Menschen filmen lassen wollten, war sich der Großteil einig, dass sich Frankreich vor allem durch seine Gastronomie und sein Savoir-Vivre – seine Lebensfreue – auszeichnet.

Diese Einschätzung kann ich nach rund einem Jahr in Frankreich vollkommen bestätigen: man legt in Frankreich großen Wert auf gute Küche. Das betrifft sowohl die Herkunft der Lebensmittel, deren Zubereitung und Verarbeitung zu wie das Beisammensein am Essenstisch: gutes Essen (und Trinken) ist fester Bestandteil der französischen Kultur.

Auch wie eine „vollwertige“ Mahlzeit auszusehen hat und wann man sie zu sich nimmt, spielt dabei eine entscheidende Rolle. In vielen französischen Schulkantinen besteht eine Mahlzeit etwa häufig aus Salat, einem kleinen Stück Brot, der Hauptmahlzeit (die in der Regel sowohl eine Proteinquelle als auch eine kleine Kohlenhydrat-Beilage und Gemüse enthalten sollte), einem Milchprodukt (wahlweise Käse oder Joghurt) sowie eventuell einem kleinen Dessert oder einem Stück Obst. Die Portionen sind dabei nicht überdimensional, aber man bleibt danach lange satt und fühlt sich auch nicht völlig k.o.. Wenngleich die Qualität der Schulkantine in einer kleinen Schule auf dem Land nicht diesselbe ist wie in einer Brennpunktschule in Paris, behalten viele Menschen behalten diese Essgewohnheiten auch im Erwachsenenalter bei.

Von der Kompetenz Frankreichs in Sachen Lebensmittelqualität und Ernährungsgewohnheiten könnten sich meiner Meinung nach daher viele andere europäische Länder eine Scheibe abschneiden.

Weitere Punkte, die in meiner Umfrage genannt wurden, sind die einzigartige Architektur und Denkmalpflege sowie das hochwertige Bildungssystem, über dessen Entwicklungen in den letzten Jahren ich gestern bereits ausgiebig mit dem pensionierten Lehrer und Schuldirektor Claude Reilly gesprochen habe.

In Vorbereitung auf meinen Besuch bei einer französischen Berufsschule in Annecy morgen Vormittag, werde ich mich heute außerdem mit einer Lehrperson an einer regionalen Mittelschule unterhalten.

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